Pädagogische Schwerpunkte / Konzeption

Frühe Förderung und Förderung besonderer Begabungen

Jedes Kind hat ein Grundrecht auf Förderung nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen.

Hoch begabte Kinder sind Gleichaltrigen oft schon in den ersten Lebensjahren in ihrer kognitiven Entwicklung weit voraus. Schon früh können sie durch ausgeprägtes logisches und analytisches Denken, extreme Merkfähigkeit oder durch überlegenes Sprechvermögen auffallen. Bisweilen erlernen sie im Kindergartenalter Kulturtechniken völlig selbständig.

Hochbegabung kann aber auch in diesem Alter bereits Probleme verursachen. Hoch begabte Kinder denken und handeln anders. Die Umwelt reagiert bisweilen mit Unverständnis.

Zudem ist ein hohes intellektuelles Potential noch kein Garant für hohe Leistungsfähigkeit oder für das Erbringen einer für das Individuum lustvollen und für die Gesellschaft wertvollen Leistung. Erforderlich dazu ist stets auch das Erlernen von Arbeitshaltungen wie z.B. Anstrengungsbereitschaft und Durchhaltevermögen.

Die langjährigen Erfahrungen im CJD zeigen, dass wir mit der Förderung unserer hoch begabten Kinder möglichst früh beginnen müssen.

Deshalb brauchen besonders begabte Kinder bereits in der Kindertagesstätte eine Förderung, die Motivation schafft, Unterforderung vermeidet und den Grundstein legt zum Erwerb der für den individuellen Bildungsweg erforderlichen Arbeitshaltungen, um spätere Probleme wie z.B. Minderleistung zu vermeiden.

Förderung Hochbegabter ist in den Kindertagesstätten des CJD nie ausschließlich Förderung der kognitiven Entwicklung, sondern bezieht sich immer auf die gesamte Persönlichkeit. Deshalb arbeiten wir grundsätzlich sozialintegrativ, d.h. hoch begabte Kinder und Kinder aus den umliegenden Stadtteilen sowie behinderte Kinder spielen und lernen bei uns gemeinsam. Hoch begabte Kinder haben hier die Chance Gleichgesinnte zu treffen. Alle Kinder können durch dieses breite Spektrum der Integration an Modellen lernen und erleben gesellschaftliche Realität.

Kinder wollen lernen und lernen das, was sie wollen. Die uns anvertrauten Kinder erfahren bei uns weitgehende Freiheiten zu forschen und zu experimentieren.

Die Pädagogen schaffen durch ihre Begleitung „Räume für Kinder“, in denen das für den gesamten Bildungsweg so wichtige selbstorganisierte Lernen ermöglicht wird.

Verschiedene Workshops und Projekte ergänzen als Enrichment die üblichen Bildungsangebote bzw. gehen weit darüber hinaus und bieten somit neue Lerninhalte und Herausforderungen.

Der erste Schritt ist Beobachtung oder Diagnostik. Frühe Diagnostik ist grundsätzlich schwierig. Deshalb erstellen wir bei Kindern im Kindergartenalter nicht die „Diagnose Hochbegabung“, da evtl. von einem Entwicklungsvorsprung ausgegangen werden kann. Die PsychologInnen im CJD wenden bei ihren Untersuchungen grundsätzlich mehrere standardisierte Testverfahren an. Denn es geht nicht um die Ermittlung eines einzigen IQ-Wertes, sondern um die Erstellung einer kognitionspsychologischen Analyse des Denkens, da Denkstrategien der Kinder ebenso wichtig sind wie die Höhe der Intelligenz.

Ebenso wichtig wie eine seriöse Diagnostik ist die regelmäßige Beobachtung durch erfahrene und qualifizierte Pädagogen im Förderprozess.

Die Erziehungsplanung, deren Ziele sich aus Diagnostik und Beobachtung ergeben, gestalten die Pädagogen im Erziehungsteam gemeinsam mit den Eltern. Die Beratung der Eltern spielt eine zentrale Rolle, denn wir verstehen unsere Kindertagesstätten als „Häuser für Familien“.

Unser pädagogischer Ansatz

Pädagogische Arbeit beinhaltet eine Vielzahl verschiedener Sichtweisen und Handlungskonzepte. Für unsere Arbeit mit den Kindern halten wir einen individuellen Ansatz für sinnvoll und beziehen uns deshalb auf den Begriff „Lebensweltorientierung“. Unser Bild vom Kind und die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Entwicklung des Kindes sind die Grundlage dieses pädagogischen Ansatzes.

Unser Bild vom Kind

Lange Zeit gab es in der Pädagogik ein defizitorientiertes Bild vom Kind. Das heißt, ein Kind wurde als unfertiges Wesen angesehen, dem das Leben beigebracht werden müsse. Dieses Bild hat sich heute grundlegend gewandelt. Nicht mehr die Defizite eines Kindes stehen im Vordergrund, sondern ein Kind wird als „Akteur seiner selbst“ gesehen, das aus seinen Möglichkeiten heraus Lernprozesse organisiert und Erfahrungen selbstständig erarbeitet. Ein Kind ist von Anfang an Sozial- und Kommunikationspartner. Es eignet sich aus sich selbst heraus die Welt an, reflektiert das Wahrgenommene und entwickelt die Fähigkeit, zu lernen. Hier geschieht Bildung. Durch die hohen Lern- und Entwicklungspotentiale in den frühen Lebensjahren entsteht so die Grundlage für die eigene Lern- und Bildungsbiografie.

Als „Akteure ihrer selbst“ sind Kinder Persönlichkeiten mit eigener Biografie und mit eigenen Fähigkeiten, Begabungen und Interessen. Diese Eigenständigkeit der Kinder berücksichtigen wir, indem wir ihnen mit Achtung und Würde begegnen und offen sind für ihre Bedürfnisse und den Erfahrungsreichtum den sie mitbringen.

Wir sehen Erziehung als ganzheitlichen Prozess, in dem wir Kinder aktiv begleiten und ihnen Spielräume schaffen zur Entwicklung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Prozesses ist das ständige Reflektieren des eigenen

Denkens und Handelns als Erzieher, da sich die Kinder an unserem Vorbildverhalten orientieren. Wir sind Vorbild, zu jedem Zeitpunkt. Durch geregelte Strukturen in unserer Arbeit schaffen wir einen verbindlichen Rahmen, der den Kindern Sicherheit und Orientierung bietet und die Möglichkeit zu eigenverantwortlichem Handeln gibt.

Lebensweltorientierung

Die Lebenswelt eines Kindes heute beinhaltet auf den ersten Blick seine Familie, den Wohnort und die Technik unserer Zeit. Bedeutsam für uns sind aber auch die Sicht des Kinder von der Welt sowie die Lebensgeschichte und Persönlichkeit, die es in diese Welt einbringt.

In unserer Einrichtung begegnen sich Kinder und Erwachsene, die aus unterschiedlichen Kulturen und Lebensformen kommen und verschiedene Begabungen mitbringen. Diese Vielfalt bietet den Kindern ein Lernen in Gemeinschaft, ermöglicht ihnen das Einbringen eigener Interessen und Fähigkeiten und erweitert ihren Horizont. Besonders Kinder mit Hochbegabung können in unserer Einrichtung Gleichgesinnte treffen, was einem Gefühl des Andersseins entgegenwirkt

Wir als „Lernende Einrichtung“

Die Arbeit mit hochbegabten Kindern ist in der Pädagogik ein weitgehend neues Erfahrungsfeld und stellt an alle Beteiligten besondere Anforderungen. Wir verstehen uns deshalb als „Lernende Einrichtung“.

Unsere Grundlagen sind der offene Dialog zwischen Kindern, Eltern und unserem Team und die Zusammenarbeit mit Schulen, Fachdiensten und anderen Einrichtungen. Durch die Bereitschaft der ErzieherInnen zur Öffnung nach innen und außen wird die Transparenz unserer pädagogischen Arbeit ermöglicht. Die gegenseitige Toleranz und Achtung der Persönlichkeit aller Beteiligten trägt zu einem angenehmen Klima in der Einrichtung bei. Wir sehen die Eltern nicht nur als Mitgestalter der pädagogischen Arbeit, sondern als Dialogpartner, denen wir mit Vertrauen und Verständnis begegnen. Dies beinhaltet aber auch konstruktive Kritik, gegenseitige Unterstützung und abgestimmtes Handeln in der Erziehung des Kindes.

Um den Bedürfnissen aller Kinder unserer Einrichtung gerecht zu werden, haben wir ein differenziertes Workshopsangebot erarbeitet, das wir ständig weiterentwickeln. Dies spricht nicht nur die Kinder mit Hochbegabung an, sonder ermöglicht ein ganzheitliches Arbeiten mit allen Kindern.

Durch interne und externe Fortbildungen für alle MitarbeiterInnen sichern und erweitern wir die Qualität unserer Arbeit und sind so „Lernende Einrichtung“ und aktiver Teil des gesamten Bildungssystems.

Was ist ein Projekt?

Es geht in diesem Text nicht um eine Klärung des Begriffs „Projekt“ im wissenschaftstheoretischen Sinn oder aus Sicht einer praktisch elementar-pädagogischen Arbeitsweise.

Es folgt vielmehr eine einfache Beschreibung des Ergebnisses eines Lernprozesses in der Hans-Georg Karg Kindertagesstätte. Am Ende werden wir versuchen, den Begriff des Projekts so zu fassen, wie wir diesen für unsere praktische Bildungsarbeit verstanden wissen wollen. Es sei hier verwiesen an die Aussage von Dewey und Kilpatrick: „Es gibt kein übergreifendes Wissen oder ein einzig richtiges pädagogisches Wissen.“ (zit. nach Fthenakis (2000), Kommentar zum Projektansatz, in: Fthenakis, W.E., Textor, M.R. (Hrsg.): Pädagogische Ansätze im Kindergarten, Weinheim und Basel, Beltz)

Eine Geschichte der Projektarbeit in der Hans-Georg Karg Kindertagesstätte findet sich im Artikel von Ch. Sperling in Kita spezial 4/2009, „Kinder prägen unser Handeln!?“ Sie beschreibt hier die Entwicklung von einem ausschließlich kognitiv orientierten Kurssystem hin zu kindinitiierten Projekten.

Wurzeln der Projektarbeit finden sich bereits bei Rousseau, er spricht von entdeckendem Lernen, weiterhin bei Pestalozzi mit dem Verständnis, Bildung umfasse Kopf, Herz und Hand, und schließlich bei Fröbel, der die Begriffe freie Selbständigkeit und Selbstbestimmung prägt.

Das heutige Verständnis von Projektarbeit ist weitgehend bestimmt durch den Projektansatz nach Katz und Chard. Zum Aspekt der Sinnhaftigkeit bei der Gestaltung von Lernszenarien und Projektarbeiten und zur Frage des möglichen Lernerfolgs schreiben sie: „Wenn Wissen und Fertigkeiten in sinnvollen Zusammenhängen - mit ausreichender Gelegenheit, sie einzuüben erworben werden, dann werden die Dispositionen gestärkt, das Wissen zu vertiefen und die Fertigkeiten zu gebrauchen. Umgekehrt werden Dispositionen geschwächt, wenn solch sinnvolle Anwendung fehlt.“ (Katz und Chard 2000)

Katz, L.G., Chard, S.C. (2000): Der Projekt-Ansatz, in: Fthenakis, W.E., Textor, M.R. (Hrsg.): Pädagogische Ansätze im Kindergarten, Weinheim und Basel, Beltz

Das Arbeiten und Lernen in Projekten bietet für Kinder wesentliche Vorteile. Als Beispiele seien genannt: ein Projekt ist fächerübergreifend, ein Projekt ist charakterbildend, ein Projekt ist Weltwissen-vermittelnd und Wissenshunger-stillend.

Aus den genannten Gründen und den weiteren Gründen, die Ch. Sperling in Kita spezial dargelegt hat, wurde im Teamworkshop September 2009 in der Hans-Georg Karg Kindertagesstätte beschlossen, dass zukünftig in unserem Haus nur noch Projekte stattfinden sollen, bei denen die Initiative von einem Kind oder mehreren Kindern ausgeht.

Hier ist auch die Frage zu beachten, warum es für Elementarpädagogen so schwer ist, das klassische Projektverständnis aufzugeben. Immerhin wurden doch in vielen Kitas Projekte wie „Feuer, Wasser, Erde, Luft“ usw. erfolgreich durchgeführt und wunderschön dokumentiert. Die Erwachsenen gaben die Inhalte vor, es gab klare Projektpläne, eindeutige Arbeitseinteilung, eindeutige Lernziele. Kunden wie Eltern und Ämtern konnte eine solche Bildungsarbeit gewinnbringend dargelegt werden.

Aber Projekte, bei denen alle Kinder mitmachen müssen, egal ob die Sache sie interessiert oder nicht, machen nicht nur wenig Sinn, sie schwächen nach Katz und Chard „Dispositionen“, zumindest bei den Kindern, für die eine Sinnhaftigkeit fehlt.

Wir geben also in der Hans-Georg Karg Kindertagesstätte das „projektorientierte“ Arbeiten im engeren Sinn auf und wollen in Zukunft nur noch in echten kindinitiierten Projekten arbeiten. Das Förderangebot der Workshops bleibt bestehen. Dabei soll zukünftig auch eine möglichst umfassende Dokumentation dieser Projekte erfolgen (soweit das im Tageslauf einer Kindertageseinrichtung möglich ist). Die Dokumentation ist für Eltern, Öffentlichkeit, Multiplikatoren, primär natürlich für die Kinder und dient zur Reflexion des Projekts. Insofern war die Entscheidung, nur noch kindinitiierte Projekte durchzuführen und diese in Projektbüchern zu dokumentieren, eine logische Konsequenz des Reflexionsprojekts (siehe auch: Reflektieren mit Kindern).

Wie gerne Kinder in Projekten lernen, zeigt bereits das einfache Zubereiten einer Gemüsesuppe. S. Buschhausen hatte dieses Projekt im Jahresbericht 2006 bereits kurz beschrieben. Es zeigt, wie Kinder etwas über Farben, Gemüseanbau, Mengen, Zahlen, Geld, usw. lernen. Und sie und ihre Eltern haben die Chance, noch mehr zu lernen:

Wir einigten uns auf eine Gemüsesuppe und wollten das dafür Nötige vorbereiten. Doch halt! Welche Gemüsesorten gibt es eigentlich und welche passen? Ein Rezept musste besorgt werden; Ortstermin in der Küche; klären, was man an Geräten braucht; natürlich ganz wichtig: der Einkauf; Beachten der Mengen, des Preises; ist die Farbe des Gemüses gut? Viele neue Fragen und genauso viele Antworten!

Gemüse wurde geschält, klein geschnitten und in einen großen Suppentopf gelegt. Während die Suppe auf dem Herd kochte, deckten wir den Tisch. Tischdecke, Teller, Löffel, Gläser, Servietten, Kerzen und herbstliche Dekoration sollten uns ein wahrhaftiges Essvergnügen bereiten. Nachdem wir alle am Tisch saßen, die Kerzen angezündet und ein Gebet gesprochen haben, aßen wir unsere Gemüsesuppe. Tatsächlich hat sie allen Kindern hervorragend geschmeckt. Damit auch die Eltern der Kinder in den Genuss der Suppe kommen konnten, die an das Projekt anschließend zum Vorschulelternabend eingeladen waren, konnten die Kinder nicht die ganze Suppe verspeisen. Auch die Eltern konnten also die köstliche Suppe am Abend verkosten. Außerdem hatten wir die gesamte Kochaktion gefilmt, so dass auch die Eltern ein wenig an der Vorschularbeit teilnehmen konnten. Das bot einige große Überraschungen! Einige Eltern hatten nämlich zuvor mehr oder weniger geschworen, dass ihre Kinder nie eine Gemüsesuppe essen würden, und alle Kinder hatten die gemeinsam bereitete Suppe genüsslich gegessen.

Fast alle Eltern besitzen eine Vorstellung davon, wie schwierig es sein kann, ein Kind davon zu überzeugen, dass man ein bestimmtes und ja sooo gesundes Gemüse essen soll. Auch Dr. Hoffmann hat dieses familiäre Drama mit seinem Suppenkaspar so trefflich thematisiert.

Aber auch solche Dinge lassen sich - wie man sehen kann - mit Projekten meistern.

Neben der Projektarbeit findet die frühe Bildung in unserem Haus auch in der bewährten Form von Kursen und Workshops statt. Die Workshop-Zeit beginnt nach der Eingewöhnungsphase zu Beginn des Kindergartenjahres. Zeitpunkte und Dauer der Workshops hängen von den Neigungen der Kinder und den jeweiligen Themen ab.